Das Bild der Zeit

Rezensionen

Rezension am 6.9.2017 auf dem Literaturblog „SchizotheKare: „Das Bild der Zeit“

https://schizothekare.wordpress.com/2017/09/06/guenther-bild-der-zeit/

In der letzten Woche erreichte uns unser erstes Rezensionsexemplar vom Adakia Verlag. „Das Bild der Zeit“ von Ruprecht Günther.

Erstens: wir haben uns wahnsinnig darüber gefreut.

Zweitens: wir wurden nicht enttäuscht.

Wir haben zwei Protagonisten: Sigi und Karl-Heinz. Und um es ganz ganz kurz zu machen. Die beiden müssen aufgrund eines mystischen Vertreters der brasilianischen Religion Candomblé für eine Woche die Gestalt tauschen. Der Roman spielt in unserer schönen Hauptstadt, vorwiegend in Friedrichshain. Ja genau, richtig gehört, liebe Lesekünstler: brasilianischer Zauber in Berlin. Schon diese Tatsache ist abgefahren und wirkt erstmal ein bisschen verwirrend. Noch konfuser wird es nun, wenn man erwähnt, dass unser Sigi ein freischaffender Künstler ist, der seine Gemälde dauerhaft unter Wert verkauft und Karl-Heinz, sein bester Kumpel, ein Antiquitätenhändler.

An dieser Stelle möchte ich mich kurz einklinken und ein paar Worte zu Ruprecht Günther verlieren. Geboren 1954 arbeitete er jahrelang als Grafiker und Designer in Deutschland. Im Jahre 2002 wanderte er nach Brasilien aus und lebt seitdem in Salvador da Bahia. Zum Einen kann es nicht schaden ein wenig mehr über den Autor zu wissen, zum Anderen ist es meines Erachtens, elementar, aber ich komme später darauf zurück.

Na schon durcheinander?

Ich war es zumindest.

Dito.

In der ersten Hälfte mühen sich unsere Protagonisten also in ihrem neuen Leben ab. Sigi ist auf einmal der reiche Single Karl-Heinz, der Kunst an den Mann bringt und Karl-Heinz ist der arme, verheiratete Künstler. Nicht unerwähnt sei es hier, dass wir auch Karl-Heinz Ehefrau Joana kennenlernen. Joana ist übrigens Brasilianerin und kennt die Naturreligion Candomblé sehr gut.

Zwischendurch springen wir in das Jahr 1941 und lernen noch die Ostarbeiterin Kamila kennen. Diese junge Dame entwickelt sich in einem weiteren Handlungsstrang von einer eingepferchten Arbeiterin zu der Mätresse eines Werkchefs.

Wie gesagt, dies ist nur die erste Hälfte. Ich hatte keine Ahnung, wie sich diese Zweige zusammenfügen könnten, aber ohne etwas vorwegzunehmen und es einfach ganz platt zusagen:

Ruprecht Günther hat es geschafft.

Und hier spanne nun ich den Bogen. Er hat es nicht nur geschafft die Geschichte zusammenzufügen, sondern auch den nötigen Raum dafür zu schaffen. Ich hätte es nur wenigen Autoren zugetraut, diese detailreichen Mikrokosmen zu schaffen. Aber hier ist es aus meiner Sicht wunderbar gelungen. Die atmosphärischen Stimmungen, sei es in Bezug auf die Fazenda, das deutsche Arbeitslager und dem Friedrichshainer Kiez, waren auf den Punkt getroffen und authentisch.

Und wie er es geschafft hat! Aus Szenarien, die im Einzelnen betrachtet wirklich keinen Sinn ergaben, hat er eine Geschichte geschaffen, die von vorne bis hinten stimmig und spannend ist.

Ihr fragt euch sicherlich: „Wieso denn nun „Das Bild der Zeit“?“

Das fragte ich mich auch ziemlich lange, wenn ich ehrlich bin.

Das Bild der Zeit ist das Gegenstück zum Bild des Raumes. Letzteres wurde von Sigi bereits fertiggestellt und, wenn man den Reaktionen im Buch glauben schenken darf, ist ein wahres Meisterstück. Nun steht unser Künstler also vor der elementaren Frage:

Kann man die Zeit malen? Was ist Zeit genau? Wie ist sie darstellbar? Was ist ihr Wesen?

Das Bild der Zeit ist der Tanz von Ursache und Wirkung. Ein Baum, dessen Wurzeln in die Vergangenheit ragen und dessen Blätter sich weit nach vorn tasten in die Zukunft; er ist die Schwerkraft, deren Gewicht das ewige Davor zu dem Danach gerinnt.

Ich möchte hier keine Interpretation vom Besten geben und einen Monolog über die Zeit halten, auch wenn es mich ein wenig in den Fingern juckt. Zuletzt sei zu diesem Thema gesagt, dass der Autor durch die Geschichte an sich sehr gut dargestellt hat, was Zeit ist und der Verlag das Thema durch die Coverauswahl sehr gut umgesetzt hat, und damit meine ich nicht die Uhr.

Insgesamt kann man wirklich sagen: ein spannendes, wenn auch manchmal konfuses und verwirrendes Werk, was noch länger im Kopf umherwuselt. Es muss nur erstmal sacken. Nachdem es sich immer mal wieder aus dem Unterbewusstsein ins Bewusstsein geschlichen hat, fängt man an die Zusammenhänge besser zu erkennen und lernt es wirklich zu schätzen.

 Fazit: unbedingt lesen und selbst überzeugen lassen !!!